Mittwoch Abend, Halbfinale, auch in Jerusalem.
Wir wollen das Spiel im Cafe der Auguste Victoria auf dem Oelberg anschauen, in Gemeinschaft der deutschen Gemeinde in Jerusalem. Dort soll es schliesslich auch eine Grossleinwand geben. Es wird nicht das gleiche sein wie die Spiele der WM, die damals in der deutschen Schmidtschule uebertragen wurden. Aber trotzdem ist es schoen, so ein Spiel in deutscher Gesellschaft zu gucken.
Eine kleine Deutschlandfahne fuer’s Auto haben wir auch dabei. Ich mag sie aber im juedischen Teil der Stadt dann doch nicht so oeffentlich zeigen. Der Oelberg hingegen liegt im arabischen Teil Jerusalems, und daher nehmen wir uns auch ein arabisches Taxi. Ich bitte den Fahrer darum, die Fahne am Auto zu befestigen. Es soll doch wenigstens ein bischen Fanstimmung aufkommen, auch in Jerusalem. Der Taxifahrer fragt er einmal, um was fuer eine Fahne es sich da handelt. Fussballfan ist er schon einmal keiner…
Aber ich helfe ihm nach, erklaere ihm, dass Deutschland heute spielt. Und der arabische Fahrer weigert sich, die Fahne am Auto anzubringen. „Nein, mit Deutschland moechte er nichts zu tun haben“, sagt er,“er koenne Angela Merkel nicht leiden.“ Den Rest der Fahrt hoeren wir uns eine Predigt darueber an, wie schlecht es war, dass unsere Kanzlerin bei ihrem Besuch im Heiligen Land nur die Israelis besucht hat, nicht aber Ramallah oder Bethlehem. Und er beschwert sich ausserdem darueber, dass sie in ihrer Rede in der Knesset keine Kritik an der israelischen Politik geuebt hat.
Und wir lernen, dass auch die Araber sich nicht immer ueber die Deutschen freuen. Meine israelischen Nachbarn druecken den Deutschen auch nicht die Daumen. Aber nicht aus politischen Gruenden, sie denken einfach, die Deutschen sind nicht gut genug.
Nach einer 10minuetigen Fahrt kommen wir in der Auguste Victoria an. An Biertischen sitzen die Mitglieder der deutschen Gemeinde und trinken – wie es sich gehoert – Bier, allerdings kein deutsches, sondern das palaestinensische Taybeh Bier. Wir holen uns natuerlich ebenfall ein Bier, besser gesagt, gleich zwei pro Person, dann muessen wir nicht gleich wieder aufstehen.
Vor der Leinwand stehen Baenke, schon eng besetzt, die meisten sind frueher gekommen als wir. Die Leinwand haengt in den Baeumen, gross ist sie nicht, aber das Cafe hat eine Satellitenschuessel, daher schauen wir ZDF, mit deutschen Kommentatoren. Ueberall riechen die Wasserpfeifen, das Geblubber der Pfeifen ist laut, der Rauch zieht ueber die Leinwand in die Baeume. Das ist nun schon weniger typisch deutsch, obwohl es nur die Deutschen sind, die gierig am Schlauch der Nargila ziehen.
Das Spiel beginnt. Und dann faellt das erste Tor – fuer die Tuerkei, nicht fuer Deutschland. Und ganz vorn, auf der linken Ecke jubelt einer mit einer tuerkischen Fahne auf den Wangen, aber in reinstem Deutsch. Unser Deutsch-Tuerke in Jerusalem. Und hinter uns sitzen zwei Palaestinenser, die erst auf arabisch, dann auf Englisch sagen: „Das sollen die Deutschen sein? Sind wohl eher die Jordanier.“ Neben ihnen sitzen zwei Israelis, der eine hat ein Deutschland Trikot an.
Am Ende kann er dann doch noch jubeln, zusammen mit uns. Und wir begiessen das noch einmal ordentlich mit Taybeh Bier, und einem Schnaps, so zum Anschied.
Am naechsten Morgen bin ich mir sicher, dass es fuer mich im Finale kein Taybeh Bier gibt, und auch keinen Schnaps…